United Tribuns Boki ist weiter auf freiem Fuß

Im Fall Boki United Tribuns ist jetzt fertig ermittelt. Der Rotlichtkönig von Villingen-Schwenningen aber, dem Menschenhandel und der Zwang von Frauen zur Prostitution vorgeworfen werden, ist weiter auf freiem Fuß. Untergetaucht im fernen Bosnien und für die Deutsche Justiz offenbar noch unerreichbar. Ein sich in Stuttgart anbahnender Prozess jedoch dürfte den Fokus nochmals auf die United Tribuns lenken.

„Ermittlungen laufen keine mehr“, sagt der Konstanzer Staatsanwalt Andreas Mathy im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten und tut damit erstmals öffentlich kund, dass der Fall von Almir Culum, dem Chef der Rockerähnlichen Organisation United Tribuns, eigentlich längst hätte zu den Akten gelegt werden können.

Wäre da nicht ein entscheidender Schönheitsfehler: Der Gesuchte ist im Ausland, genauer in Bosnien. Und er hat sich den Fängen der deutschen Justiz damit seit 2009, als er vor einer Großrazzia im Milieu in Villingen-Schwenningen fliehen konnte, erfolgreich entzogen. „Wir suchen ihn nicht über die Öffentlichkeit“, sagt Dieter Popp von der Polizeidirektion Tuttlingen auf Anfrage unserer Zeitung und erklärt, warum man unter den öffentlich ausgeschriebenen Fahndungen des Bundeskriminalamtes nicht auch das Konterfei des ehemaligen bosnischen Profi-Boxers erblickt.

Schließlich besteht seit Jahren ein Internationaler Haftbefehl, der den Rotlichtboss so sehr abzuschrecken scheint, dass er deutschen Boden seither wohl meidet, im Ausland aber laut seinem Facebook-Auftritt ein offenbar feudales Leben führt. „Zwischen Öffentlichkeitsfahndung und Haftbefehl wird unterschieden“, erläutert der Polizeisprecher.

Die zuständige Staatsanwaltschaft stehe ganz sicher in regem Kontakt mit den jeweiligen Behörden im Ausland, „da werden Verhandlungen geführt, immer wieder“. Doch Schützenhilfe bei der Auslieferung des Mannes, der mit seiner Organisation United Tribuns Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung begangen haben soll, erhalten die Strafverfolger bislang offenbar noch nicht. „Das Land dort unten kann unter Umständen den Sachverhalt anders würdigen“, erklärt Popp und weiß: „Für sie besteht eventuell kein Haftgrund“. Eindeutig anders wäre das im Mordfall, andere Straftaten indes seien jeweils „Abwägungssache“.

„Wenn man nicht gespurt hat, wurdest du halt geschlagen.“
Tot sind die Opfer nicht. Zumindest nicht körperlich. In einem Interview mit dem SWR-Fernsehen aber offenbarte eine von ihnen, die in Bokis Bordell in Villingen anschaffen musste und derzeit in einem Zeugenschutzprogramm des Landeskriminalamtes lebt, das große Leid, das ihnen zugefügt worden sein soll. Sie lebe trotz der neuen Identität in ständiger Angst, von ihren ehemaligen Peinigern gefunden zu werden.

Geld eingenommen habe man viel, „es gab Tage, an denen man 3000 verdient hat, Tage, da hast du 5000 verdient“ – behalten aber durfte man, erzählt sie, „nicht einen Euro“. Systematisch seien Frauen als Prostituierte gehalten worden, „bis man nichts mehr reinbringt“, bis sie alt und verbraucht seien. Wer etwas brauchte, hätte mit einem Überwacher das Haus verlassen dürfen, um das Nötigste einzukaufen.

„Wenn man nicht gespurt hat, wurdest du halt geschlagen“, und dabei sollte man am besten „nicht laut sein“, andernfalls sei ihnen der Mund zugehalten oder ein Kissen über den Kopf gezogen worden. Und notfalls sei man eben in den Wald gefahren worden, „da kannst Du so laut schreien wie Du willst“.

Eines von Bokis Bordellen, das in Villingen im Zentrum der Razzia von 2009 gestanden hat, ist auch heute noch in Betrieb. Im Impressum steht ein Frauenname, schon auf der Startseite des Internetauftritts wird allen klargemacht: „Die Damen im Laufhaus arbeiten auf selbstständiger Basis gemäß UStG. Sie bieten ihre Dienste als selbstständige Unternehmerinnen an und stehen in keinem rechtlichen Tätigkeitsverhältnis zum Etablissement* (*der Name ist der Redaktion bekannt, wird aber aus rechtlichen Gründen hier nicht genannt).

Wir weisen darauf hin, dass sämtliche Leistungen der Damen ausschließlich im Namen und auf Rechnung der jeweiligen Dame erfolgen.“ Verdienen an den Geschäften der ausdrücklich als „Mieterinnen“ bezeichneten Frauen noch immer Hintermänner der United Tribuns? Gemunkelt wird ein solcher Verdacht, bewiesen allerdings ist nichts. Zuständig für die Konzessionsvergabe – oder den Einzug einer Konzession – ist laut Staatsanwalt Andreas Mathy die Stadtverwaltung Villingen-Schwenningen. Doch auch dort hätte man im Falle einer Bordell-Tätigkeit im Auftrag der United Tribuns offenbar kaum eine Handhabe: „Da die benannte Person* (*Boki) kein Gewerbe in VS betreibt, können in Bezug auf die Person keine gewerberechtlichen Maßnahmen ergriffen werden“, erklärt Madlen Falke von der städtischen Pressestelle der Stadt Villingen-Schwenningen.

Ist unklar, wie aktiv die United Tribuns im Rotlichtgewerbe der Doppelstadt aktuell mitmischen, so expandiert die 2004 in Villingen von Boki gegründete Organisation jedoch weiterhin auch auf deutschem Boden, während ihr Gründer und Anführer im Ausland weilt – in Rosenheim und Passau sollen neue Chapter der 2014 im bayrischen Verfassungsschutzbericht erwähnten Organisation gegründet worden sein.

Ihre Fühler reichen offenbar auch nach Stuttgart. Jedenfalls gerieten fünf Jahre nach der Großrazzia im Rotlichtmilieu in Villingen-Schwenningen bei einer weiteren Durchsuchung im angeblich größten Freudenhaus Europas, dem Bordell Para­dise in Stuttgart, 15 Beschuldigte in den Fokus der Ermittler.


Unter den nach dieser Rotlichtrazzia von 2014 Beschuldigten waren viele Angehörige der United Tribuns. Der Paradise-Chef, der bekannte Stuttgarter Bordellkönig Jürgen R. wanderte erst Ende September 2017 für 100 Tage in U-Haft.

Die gleiche Masche wie in VS: Loverboys und Aufseherinnen
In Bälde soll ein großangelegter Prozess in der Sache beginnen und damit der Fokus über unsaubere Geschäfte mit der Fleischeslust wieder einmal nach Villingen-Schwenningen gelenkt werden. R. nämlich werden „fragwürdige Geschäfte mit Rockergangs angelastet, bei denen Frauen womöglich unfreiwillig ins Stuttgarter Bordell verbracht wurden und dort dann ihre Arbeit verrichteten“, ist in einem Artikel der Zeitschrift Emma zu lesen.

Und dann wird die gleiche Masche beschrieben, die auch in Villingen-Schwenningen gewirkt haben soll: „Loverboys“ sollen den Frauen die große Liebe vorgegaukelt haben, ehe sie ins Bordell gebracht und zur Prostitution gezwungen worden seien. „Aufseherinnen“ hätten dafür gesorgt, dass die Frauen bei der Stange blieben. Beide Handlanger, die Loverboys als auch die Aufseherinnen, werden den United Tribuns, der selbsternannten Bruderschaft aus Villingen, zugerechnet. Laut Emma drohen Jürgen R. nun „bis zu zehn Jahre Haft, wenn sich die Vorwürfe beweisen lassen“.

Der Gründer der Tribuns, der Ex-Boxweltmeister Boki aus dem ehemaligen Jugoslawien, und sein Cousin Dado lassen es sich indes weiterhin in einem Dorf in Bosnien-Herzegowina gut gehen. Wie gut, zeigen sie beispielsweise in selbstgedrehten Filmchen im Internet.

Erst im vergangenen Jahr sieht man sie darin mit dicken Autos vorfahren, in einem anderen Video präsentieren sie sich beim harten Boxtraining, im Bild-Interview geben sie sich generös als harmlose Bruderschaft, die keinerlei Zwänge ausübe. „Es geht nur um Freundschaft, kein Geschäft“, erzählen Boki und Dado 2011 im Interview mit der Sendung „betrifft“ und freuen sich: „In Bosnien sind wir freie Leute.“


Germanay - SZ.

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