Osmanen Germania kooperierten mit Erdogan

Eine Verhaftungswelle schwächt den türkischen Osmanen Germania Boxclub. Immer deutlicher wird, dass er Teil eines nationalistischen Netzwerkes ist – das von Ankara aus gesteuert wird.

Die Ferienregion Antalya klagt wie die gesamte Türkische Küste über fehlende Hotelgäste aus Deutschland. Doch am 5. August marschiert eine große Gruppe aus Almanya über die Einkaufsstraße der Ferienstadt. Es sind keine typischen Touristen: Sie tragen die Abzeichen des national­türkischen Osmanen Germania Boxclub. „Wir sind überall“, postet der eng mit dem Rotlichtmilieu und Türstehermilieu verbundene Rockerclub offensiv auf Facebook.

Der Besuch ist kein harmloser Ferientrip. Vielmehr findet in der Mittelmeerstadt eine Konferenz statt: mit dabei der selbst ernannte „Weltpräsident“ der Osmanen, Mehmet Bagci,  Vertreter  der  Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) sowie der türkischen Regierungspartei AKP von ­Präsident Recep Tayyip Erdogan. Warum es geht? Um eine gemeinsame Strategie, berichten türkische Augenzeugen.

Wichtige Funktionäre der Osmanen Germania sind in Haft
Wenige Wochen später sitzen wichtige Teilnehmer der Konferenz in Haft oder sehen sich mit Ermittlungen konfrontiert. Neben Bagci wurde sein Stellvertreter ­Selcuk Can Sahin verhaftet sowie Levent Uzundal, bisher Präsident des aufgelösten Chapters Osmanen Germania Stuttgart. Er hätte Nachfolger von Bagci als Weltpräsident werden sollen. Die Landeskriminalämter von Hessen und Baden-Württemberg haben eine Verhaftungswelle losgetreten. 20 Funktionäre der Osmanen sitzen in Haft, über 80 Verfahren laufen. Das Treffen in Antalya ist eines von vielen, bei denen die muskelbepackten Schläger mit offiziellen­ Regierungsvertretern kooperieren – häufig durch Vermittlung der UETD, wie unsere Zeitung aufdeckte.

Durch die Berichte wurde die Verbindung auch Thema im Bundestag: Die Linken-Abgeordnete Sevim ­Dagdelen hat mehrere Kleine Anfragen laufen, um die Hinter­gründe auszuleuchten. Sie sieht ein Bündnis, das neben den genannten Organisationen auch den türkischen Moscheeverein Ditib und den Geheimdienst MIT umfasst. „Das Netzwerk muss endlich zerschlagen werden“, fordert sie die Regierung auf, die von Erdogan aus Ankara gesteuerten „demokratiefeindlichen Bestrebungen“ zu stoppen.

Ein nationaltürkisches Netzwerk
Ein schwerwiegender Vorwurf. Doch für Dagdelens Behauptung gibt es mittlerweile eine Fülle von Indizien, die bereits zu Ermittlungen geführt haben, auch wenn ein Sprecher des Landeskriminalamtes dazu keine Angaben machen will. Viele türkische Aktivisten posten in den sozialen Netz­werken stolz von Treffen mit wichtigen Funktionären – was die Verbindungen öffentlich erkennbar­ macht. So sind die Osmanen immer wieder bei UTED-Verstaltungen als Ordner eingesetzt worden, etwa 2015 in ­Osnabrück und 2016 in Köln, wie Fotos beweisen.  Nach dem Putschversuch in der Türkei belagerten sie Konsulate in Frankfurt, Stuttgart und Mannheim.

Osmanen Vizechef Selcuk Sahin postete damals auf Facebook: „2000 Osmanen sind auf den Straßen.“ Dass es Kontakte zwischen dem Boxclub und der UETD gibt, bestätigt der Staatssekretär Günter Krings (CDU) der Abgeordneten Dagdelen. Beide Organisationen ziehen also an einem Strang, sind nationaltürkisch ausgerichtet und unterstützen die Politik von Erdogan. Zwei Schlüsselfiguren spielen dabei eine besondere Rolle: eine ist der 56-jährige AKP-Abgeordnete Metin Külünk, der beste Kontakte zu Erdogan unterhält. Obwohl er Abgeordneter des türkischen Parlaments ist, hält er sich ständig in Deutschland auf, wie sein Facebook-Profil zeigt. Wie die Bundesregierung auf Anfrage Dagdelens bestätigt, traf er sich im Februar 2016 mit dem Osmanen-Anführer Mehmet Bagci in Zürich. Külünk wiederum unterhält enge Kontakte zu der Regierung. Der zweite ist der Mannheimer UTED-Funktionär Ilkay Arin. Er fungiert als Mittelsmann und hat ebenfalls enge Verbindung zu Bagci. So soll er einen Besuch in Ankara bei Metin Külünk vorbereitet haben, bei dem sogar ein Treffen mit einem Sohn von Erdogan eingeplant gewesen sein soll.

Dabei soll es, wie ein Insider berichtet, unter anderem um die finanzielle Unterstützung der Osmanen durch die türkische Regierung gegangen sein, um im Kampf gegen Kurdische Aktivisten gewappnet zu sein. Die Finanzierung solle indirekt über den Geheimdienst MIT laufen, hieß es damals.

Ein weiteres Treffen in Ankara gab es im November 2016, bei dem auch der Erdogan-Berater Hakkari Ilnur Cevik anwesend war – und sich ein T-Shirt des Boxclubs übergestreift haben soll. Auch das ist durch Fotos in den sozialen Netzwerken dokumentiert. Die Bundesregierung bestätigt in ihren Antworten auf Degdalens Fragen viele der Kontakte. Der Staatssekretär Günter Krings spricht aber von „einzelnen Verbindungen“, nicht von einem Netzwerk.

Dennoch: Setzt man die vielen Mosaikteilchen zusammen, ergibt sich ein klares Bild: Ob Migrantenverein UETD oder Osmanen, man verfolgt das gleiche Ziel. Im Fall der Osmanen notfalls mit Fäusten und Messern, wie die blutige Auseinandersetzung mit dem kurdischen Netzwerk Bahoz Stuttgart zeigt. Die UETD dagegen betreibt Lobbyarbeit. Man trifft sich regelmäßig in der Türkei oder in Deutschland. Was aber ist das Ziel der Aktivitäten?

Bewaffnung, Infilration und Rückzugsort
Dagdelen erkennt drei Stoßrichtungen: Bewaffnung für den Straßenkampf, Infiltration der Behörden und ein sicheres Geleit in die Türkei für Rocker, die in Deutschland straffällig geworden sind.

In Sachen Waffenlieferung verweist Dagdelen auf einen 2015 in der Schweiz abgefangenen Kleintransporter mit Maschinenpistolen vom tschechischen Typ Scorpion. „Erst auf Nachfrage antwortete die Bundesregierung, dass diese Frage im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Darmstadt stehe“, erklärt Dagdelen. Konkretere Hinweise gibt es zum Versuch des nationaltürkischen Netzwerks, Einfluss auf deutsche Behörden zu nehmen. So soll das UETD-Vorstandsmitglied Öllem Demirel nach eigenen Angaben beim Landratsamt Böblingen gearbeitet haben, wie sie auf Facebook erklärt. Nach einer Veranstaltung in Stuttgart lobte sie im April 2016 die „super Arbeit der super Jungs“ – gemeint sind die Osmanen als Security-Kräfte.

Wirbt Geheimdienst deutsche Polizistin an?
Noch pikanter ist der Hinweis, den Dagdelen ganz aktuell erhalten hat: Danach soll eine hessische Hauptkommissarin, die für Rockerkriminalität zuständig war, durch den türkischen Geheimdienst MIK gezielt angeworben worden sein. Eine entsprechende Anfrage der Abgeordneten soll am 19. September im Bundestag beantwortet werden – für die Abgeordnete ist das ein ­Beleg für den Einfluss Ankaras.

Was den Rückzug krimineller türkischer Rocker angeht, so verweist die Bundesregierung in einer schriftlichen Antwort darauf, dass tatsächlich Fälle bekannt sind, in denen sich türkische per Haftbefehl gesuchte Mitglieder der Hells Angels MC aus Köln und Hells Angels MC Berlin in die Türkei abgesetzt hätten. „Statistiken werden hierzu nicht geführt“, heißt es.

Organisationen ziehen sich in den Untergrund zurück
Die Behörden reagieren jedenfalls auf die Aktivitäten, daher auch die zwei Verhaftungswellen vom Juni und August. Der Boxclub Osmanen Germania ist geschwächt, viele Chapter wie das in Stuttgart aufgelöst, schon vor seiner Verhaftung hatte Mehmet Bagci offiziell seine Kutte abgelegt und der Polizei übergeben. Offenbar verlagert man die Aktivitäten verstärkt in den Untergrund, wie das LKA Stuttgart vermutet.

Auch das Kurden-Netzwerk Bahoz, mit dem sich die Osmanen in der Region Stuttgart bekämpfen, hat am Mittwoch seine ­Auflösung erklärt. So heißt es: „Bahoz ist Vergangenheit und wird nicht mehr auf­leben.“ Der Konflikt aber bleibt. Ab jetzt findet er im Verborgenen statt.






Germany -SN.

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